Hormesis – Die Dosis macht das Gift

„Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht’s, dass ein Ding kein Gift sei.“ – Paracelsus

Schon Paracelsus wusste, dass Gift nicht gleichzeitig auch giftig wirken muss.

Im Grunde kann man davon ausgehen, dass die Arzneimittelkunde auch auf folgendem Prinzip beruht: Man nehme z.B. eine giftige Pflanze, extrahiert die Wirkstoffe und verdünnt sie so lange, bis sie aus unterschiedlichen, oft unerklärlichen Gründen gesundheitsfördernd wirken. Ein Gift welches Gutes tun kann? Ja, das ist unter anderem mit dem Prinzip der Hormesis gemeint!

Bisher beschränken wir in der Medizin dieses Prinzip vor allem auf die Herstellung von Arzneimitteln und weniger auf Lebensstil bezogene Faktoren und erst recht nicht in Verbindung mit der Vorbeugung von Krankheiten. 

Seit dem Fortschritt der Hormesis-Forschung weiß man aber, dass auch Sport, Ernährung, Kältereize und andere Faktoren nur deshalb so gesund sind, weil sie nach dem Prinzip der Hormesis wirken. Doch was genau passiert im Körper bei einem hormetischen Reiz und wie kannst du davon profitieren?  

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Gezielte Stresseinflüsse machen deinen Körper nach dem Hormesis Prinzip stärker und widerstandsfähiger.

In diesem Artikel erfährst du…

  • Wie richtig dosiertes Gift dich stärker macht und dich vor Krankheiten bewahren kann
  • Welche Erfolge das Prinzip der Hormesis als Therapieansatz bei chronischen Krankheiten (wie Autoimmunerkrankungen) zu verzeichnen hat
  • Wie du die Hormesis am einfachsten in deinen Alltag integrieren kannst

Das Prinzip der Hormesis 

Gift ist nie per se schlecht.

Ohne Zweifel schädigt und stresst jedes Gift den Körper auf Zellebene. Ob dies im Endeffekt gesundheitsschädigend oder gesundheitsfördernd wirkt, kommt aber ganz auf die Dosis des Giftes an. Ab einem bestimmten Schwellenwert scheint nämlich die positive bzw. schädliche Wirkung eines Giftes abzunehmen oder sogar zuzunehmen und in das jeweilige Gegenteil überzugehen. Die Substanz an sich verändert sich nicht, nur die Reaktion des Körpers darauf!

Ein paar Beispiele: 

  • Ein Giftpilz im Ganzen konsumiert kann tödlich sein, in geringen Mengen hingegen als Medizin wirken. 
  • Brokkoli ist grundsätzlich super gesund, wird aber auch irgendwann schädlich, weil er das Gift Sulforaphan (ein Senföl) enthält. Dies ist aber in solch einer geringen Dosis vorhanden, dass es uns bei normalem Verzehr nicht schadet, sondern stärker machen kann.
  • Sport fügt unserem Körper (Mikro)-Verletzungen zu. Erst die Reparatur der Muskulatur ermöglicht jedoch den wünschenswerten Muskelaufbau und eine Leistungssteigerung. 

Das Prinzip der Hormesis besagt, dass ein Gift, also ein Stressfaktor an sich nicht gesund oder schädlich ist, sondern nur die Reaktion des Körpers darauf. Es kommt auf den Kontext an, das was man aus dem Stressreiz macht.

Es gibt eine Reihe von Stressfaktoren und “Giften”, die in der richtigen Dosis stark gesundheitsfördernd wirken können. Dazu zählen zum Beispiel: 

  • Sport
  • intermittierendes Fasten, also zeitweiser Nahrungsentzug
  • hormetische Inhaltsstoffe von Nahrungsmitteln
  • Kältereize
  • sogar ionisierende Strahlung (Hier stecken die Forschungen zur optimalen Dosis noch in den Kinderschuhen, da Experimente schwer umzusetzen sind. Aber es ist wichtig zu wissen, dass sogar so eine vermeintlich schädliche Sache auch bald zu Heilzwecken eingesetzt werden könnte!)

Hormesis als Lebensstil

Warum halten wir es für wichtig sich mit dem Hormesis Prinzip auseinanderzusetzen? Das Hormesis Prinzip kann dir helfen auf Stressreize flexibel zu reagieren. Durch gesteigerte psychische, metabolische und physische Flexibilität kann dein Körper besser mit den Herausforderungen des modernen Lebens umgehen und dabei wahrscheinlich sogar Krankheiten bereits im Keim ersticken.

Intermittent Living ist ein Begriff für einen Lebensstil, welcher all die uns zur Verfügung stehenden „alten“ Stressreize gezielt in den Alltag integriert und somit eine gute Widerstandsfähigkeit gegen modernen chronischen Stress und Krankheiten gewährleistet. Es ist ein Lebensgefühl! 

Hormesis als Therapieansatz

Es gibt auch bereits medizinische Fachrichtungen, die immer mehr an Bedeutung gewinnen und die Hormesis zu Therapiezwecken nutzen. So ist es die Aufgabe der  klinischen Psycho-Neuroimmunologie (kurz „kPNI“), mit einem artgerechten Lebensstil  (Intermittent Living) chronischen Krankheiten vorzubeugen und auch erfolgreich zu behandeln. Mit diesem Therapieansatz betreibt der Therapeut mit dem Patienten Ursachenforschung und kann somit an den wahren Wurzeln von Beschwerden und Krankheiten gezielt intervenieren. Durch das fachübergreifende medizinische Wissen, verbunden mit dem Grundprinzip der Evolutionsbiologie, stellt die klinische Psycho-Neuroimmunologie eine hoffnungsbringende Option zu gängigen Gesundheitspraktiken dar und beweist, wie hoch wirksam das Prinzip der Hormesis auch in der Praxis ist.

Hormesis im Alltag

In diesem Abschnitt soll es darum gehen, wie du das Hormesis Prinzip in deinen Alltag integrieren kannst.

Um vom Prinzip der Hormesis zu profitieren, muss man sich nicht immer aus seiner Komfortzone begeben, wie etwa beim kalt Duschen oder auch oft beim Sport. Auch spezielle Nahrungsmittel bzw. deren Inhaltsstoffe wirken hormetisch und sind ein wahrer Genuss!

Doch selbst das Verlassen der Komfortzone kann mit der Zeit immer mehr Spaß machen. Verlässt du die Komfortzone und probierst Neues, Ungewohntes und bist dabei noch erfolgreich – kann man davon ausgehen, dass bei diesen Vorgängen das Glückshormon Dopamin freigesetzt wird und klar, ein Glücksgefühl motiviert dich weiterzumachen! Du musst also auch bei den unbequemen hormetischen Reizen nur höchstens ein paar Mal die Zähne zusammen beißen – es wird automatisch leichter.

Hier einige Beispiele für die praktisch umsetzbare Hormesis:

  • hormetische Nahrungsmittel
    Es gibt viele Lebensmittel, die tatsächlich giftig sind und gerade deswegen so gesund wirken. Das klingt erstmal paradox, doch mit dem Wissen über Hormesis kannst du ruhigen Gewissens die folgende Auswahl giftiger Lebensmittel gezielt in deinen Speiseplan einbauen (gerne täglich zumindest eines davon):
    – Kurkuma (Curcumin als gesundes Gift)
    – Brokkoli (Sulforaphan als gesundes Gift)
    – Chili (Capsaicin als gesundes Gift)
    – Beeren (Anthocyane als gesundes Gift)
    – 1 Achtel Rotwein (Resveratrol als gesundes Gift)
  • Bewegung
    Das Bewegung wichtig und gesund ist, weiß jeder. Trotzdem können die wenigsten erklären, warum es eigentlich gesund ist und Krankheiten vorbeugen kann. In einem späteren Absatz wird es erklärt – d.h. nach diesem Artikel, weißt du es und hast so womöglich eine neue Antriebskraft für dein tägliches Bewegungsritual gefunden!
    Achte darauf, dass du dich möglichst vielseitig bewegst: Beweglichkeit, Kraft und Ausdauer nehmen bestenfalls den gleichen Stellenwert ein. Das gestaltet dein Sportprogramm abwechslungsreich und herausfordernd. Auch ein ausgedehnter Spaziergang oder eine Wanderung haben einen hormetischen Effekt!
    Leider kann z.B. ein einzelnes Workout am Abend die vorangegangene Sitzzeit von vielen Stunden im Büro nicht ausgleichen. Deshalb ist es viel sinnvoller, den ganzen Tag über Bewegung in den Alltag einzubauen: Nimm die Treppe statt dem Aufzug, steige eine Haltestelle vor deinem Ziel aus und gehe den Rest zu Fuß, benutze den Schneebesen anstatt der Küchenmaschine… Es gibt unzählige Möglichkeiten mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren, man muss sich nur entscheiden!
  • Kältereize
    Zu diesem Thema haben wir bereits einen ausführlichen Artikel mit Anleitung für den Einstieg in die Praxis veröffentlicht! Wir sind richtige Fans des Kältereiz geworden und nutzen kalte Duschen und Eisbäder regelmäßig für die Stärkung des Immunsystems.
  • Hitzereize
    Richtig gelesen: Es muss nicht immer nur Kälte sein, auch ein regelmäßiger Saunabesuch wirkt hormetisch und tut gerade in den kalten Wintermonaten auch der Seele gut!
    Versuche Kälte- und Hitzereize regelmäßig und abwechselnd einzubauen. Ein Saunabesuch 2 x die Woche und mehrmaliges kaltes Duschen (unabhängig vom Saunabesuch) ist bspw. eine gute Balance verschiedener Temperaturreize! Wer bereits soweit ist, kann neben den Saunabesuchen, natürlich im Winter auch im See baden gehen ;-)

Paleo Ernährung und Hormesis

30 Tage ohne Getreide, Hülsenfrüchte und Milchprodukte – dafür steht das Paleo360 Konzept. Die erwähnten Lebensmittel enthalten auch bestimmte Giftstoffe, oft als Anti-Nährstoffe bezeichnet, wie Gluten, Lektine, Saponine und Casein.

Wirken diese auch hormetisch oder müssen sie vollständig vermieden werden? Unsere Einstellung hier ist, dass auch diese Anti-Nährstoffe hormetisch stärker machen können, wenn sie nicht zu oft oder in zu großen Mengen verzehrt werden.

Die Paleo Ernährung ist und bleibt ein Ansatz der dir helfen kann, herauszufinden, wie dein derzeitiger Gesundheitszustand ist und wie dieser mit deiner derzeitigen Ernährung zusammenhängt – und bspw. mit der 30 Tage Challenge unterstützen wir dich, die für dich passende Ernährung zu finden – so dass du  Entscheidungen treffen kannst, die letztendlich zu einem verbesserten Wohlbefinden führen können. Das Hormesis Prinzip ist hierfür ein guter Denkansatz um die individuelle Ernährung zusammenzustellen. Auch das 80/20 Prinzip finden wir durchaus sinnvoll und ist Teil unserer eigenen Ernährungsstrategie.

Ist man bereits mit einer Autoimmunerkrankung wie Hashimoto diagnostiziert, kann es sinnvoll sein, sich für einige Zeit dem Autoimmunprotokoll zu widmen.  Eine Autoimmunerkrankung kann mit einer beeinträchtigen Darmgesundheit einhergehen, als Diagnose wird auch die beeinträchtige Darmbarrieren Integrität bzw. Leaky Gut benutzt. Um dem Darm dabei zu helfen zu heilen, kann eine striktere Eliminations-Phase bestimmter Nahrungsmittel sinnvoll sein.

Dreifach hält besser

Wir haben nun gelernt, welche Reize unter anderem hormetisch wirken können. Um besser zu verstehen was im Körper passiert, wollen wir am Beispiel von Sport darstellen, welche Wirkungskaskade ein Stressreiz auslösen kann.

  1. Schutz vor dem akuten Stressreiz selbst (Reparatur der Muskelverletzungen)
  2. Stärkung für zukünftige Stressreize (Aufbau weiterer Muskelmasse)
  3. Reparatur vorangegangener Schäden (z.B. Entsorgung von „Zellmüll“ und entarteten Zellen)

Somit wirkt ein richtig gesetzter Stressreiz in der richtigen Dosis dreifach gesund – nicht nur akut, sondern auch vorbeugend. Dies erklärt auch, warum man Sport und gesunde Ernährung mit zu den besten vorbeugenden Maßnahmen gegen Krankheiten – wahrscheinlich auch Krebs – zählen kann. 

Evolutionsbiologischer Hintergrund

Wir Menschen wurden seit Jahrmillionen an ein Leben mit immer wiederkehrenden lebensbedrohlichen Stresssituationen gewöhnt: Hunger, Durst, Kälte, Hitze, Bewegung. Nur die anpassungsfähigsten, sozusagen die hormesis-fähigsten Menschen überlebten in diesen harschen Zeiten und wir tragen deren Vermächtnis in unseren Genen. Wir selbst können nur stärker und widerstandsfähiger werden, wenn wir uns diesen “alten” Stressfaktoren auch heute noch gezielt aussetzen und unser Erbe somit auch tatsächlich „aktivieren“. 

Unsere Vorfahren waren aufgrund dieser zwangsläufig und keinesfalls freiwillig intermittierenden Lebensumstände sozusagen resistent gegen chronische Krankheiten, da sie von der oben erwähnten hormetischen Dreifachwirkung profitieren konnten. 

Der moderne Lebensstil verleiht uns die Möglichkeit, hormetischen Stresssituationen weitgehend aus dem Weg zu gehen. Da dies eine gewisse Bequemlichkeit mit sich bringt, wird diese Vermeidungsstrategie natürlich möglichst ausgelebt. Der Mensch möchte in erster Linie überleben und Energie sparen, denn Energie war immer kostbar.  Unser Körper weiß ja nicht, dass wir plötzlich in einer Überflussgesellschaft leben, in welcher der Kühlschrank immer voll und die Heizung immer an ist. Unsere Anpassungsfähigkeit und unsere Widerstandskraft verkümmern, wenn wir sie nicht regelmäßig herausfordern. 

Die „alten“ und akuten Stressreize werden nach und nach von „modernen“ und chronischen Stressreizen abgelöst (Bewegungsmangel, einseitige und zuckerreiche Ernährung, Junk Food, Lebensmittel mit hohem Antinährstoffgehalt, die Abwesenheit von Temperaturreizen, aber auch z.B. Geldsorgen und beruflicher Stress,…).

Eine Möglichkeit wäre natürlich die weitgehende Reduktion dieser modernen Stressoren. Dies ist heutzutage allerdings nicht in einem befriedigendem Ausmaß machbar, ohne wieder als Höhlenmensch zu leben.

Zum Glück können wir uns hierfür das Prinzip der Hormesis zu Nutze machen. Wir können uns mit alten Stressreizen stärken, um besser mit den Herausforderungen des modernen Lebens zurecht zu kommen. 

Wie dich gesunder Stress für’s Leben stärkt

Gezielt eingesetzter “gesunder” Stress kann dich also auf körperlicher Ebene stärker und widerstandsfähiger machen.

Aber auch auf geistiger Ebene tut sich einiges, denn hast du den Hormesis-Gedanken erstmal verinnerlicht, wirst du die Angst vor Stress ablegen können.

Dies hat vielleicht sogar den größten positiven Effekt auf deine Gesundheit. Du nimmst Stress als einen natürlichen und wichtigen Bestandteil des Lebens und nicht mehr als etwas Bedrohliches wahr. Dadurch kannst du im Alltag viel gelassener und somit lösungsorientierter mit Stresssituationen umgehen: Chronischer Stress als mögliche Ursache von Krankheiten hat kein leichtes Spiel mehr und du kannst gestärkt und gesund durch’s Leben gehen – egal was es für dich bereit hält!

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Wer sich für das Thema kPNI, Hormesis und auch Antifragilität, was für uns zum Thema passt, interessiert, können wir folgende Bücher empfehlen.

Wirkkochbuch – Leo Pruimboom, Martin Rinderer

Das Prinzip der Widerstandskraft: Hormesis: Wie Stress und Gift uns stärker machen – Richard Friebe

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen – Nassim Nicholas Taleb

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Geschrieben von Lisa-Marie

Lisa-Marie hat sich auf die klinische Psycho-Neuroimmunologie spezialisiert. Aus diesem Fachgebiet geht auch ihre Leidenschaft für artgerechte Ernährung hervor. Ihr Wissen gibt sie in Workshops und Seminaren weiter und begeistert so viele Menschen für einen artgerechten Lebensstil. In ihrer Freizeit genießt sie die Natur und entspannt gerne beim Kochen.
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