Waage, Kalorienzähler, Schrittzähler, Fitness Tracker — heutzutage wird in Sachen Gesundheit und Fitness nichts mehr dem Zufall überlassen. Jeder denkbare Wert wird gemessen, zahlreiche Richtwerte vom Body Mass Index (BMI) bis zum Kaloriengrundumsatz werden errechnet. Doch brauchen wir das alles wirklich? Wo ist die Grenze zwischen Orientierungshilfe und Optimierungswahn? Schließlich hatten unsere Vorfahren weder Waage noch Fitnessarmband und haben trotzdem irgendwie überlebt…
In diesem Artikel wollen wir ein wenig Klarheit schaffen: Welche Messmethoden für unsere Gesundheit gibt es? Welche davon funktionieren, welche nicht? Und ist es überhaupt sinnvoll, unsere Gesundheit in Zahlen zu erfassen?
Warum überhaupt messen?
Auch jenseits der Marketingmaschen von Fitbit, Diätzeitschriften und Co gibt es gute Gründe dafür, die eigene Gesundheit anhand bestimmter Daten zu messen.
- Für manche sind das gesundheitliche Gründe: Wer an einer Krankheit leidet, die das Messen bestimmter Werte (z.B. Blutzucker bei Diabetikern) notwendig macht, tut gut daran, sich an die Empfehlungen der Medizin zu halten. Dies kann beispielsweise auch bedeuten, ein bestimmtes Körpergewicht nicht zu überschreiten, um Gesundheitsrisiken gering zu halten.
- Messen ergibt vor allem dann Sinn, wenn man ein bestimmtes Ziel verfolgt und seine Fortschritte überprüfen will. Das klassische Beispiel dafür ist eine Diät und der Versuch, das eigene Gewicht zu reduzieren. Messbare Erfolge in Form von Gewichtsabnahme bestätigen den Fortschritt und geben Motivation weiterzumachen.
- Anders herum kann das Ziel auch sein, zuzunehmen und zum Beispiel als Teil eines Trainingsprogramms Muskeln aufzubauen.
Doch schon hier wird die Sache kompliziert: Woher weiss ich, ob meine Gewichtszunahme nun wirklich Muskeln sind? Und umgekehrt: Hat derjenige, der Diät hält und Gewicht verliert, nur das Fett verloren, das er los werden wollte? Hier kommt eines der größten Probleme an der Idee, die eigene Gesundheit messen zu wollen, zum Vorschein: Ein so komplexes Gebilde wie unseren Organismus in ein oder zwei Zahlen auszudrücken, das kann nicht funktionieren. Betrachten wir deshalb einmal die gängigsten dieser Messmethoden, um ihre Vor- und Nachteile besser zu verstehen.
BMI und Co – diese Messmethoden gibt es
Die einfachste Kennzahl ist das eigene Körpergewicht. Dass diese Zahl isoliert betrachtet nur geringe Aussagekraft hat, ist aber mehr als offensichtlich: erst im Verhältnis zu anderen Faktoren wie Alter und Größe erhält sie (begrenzte) Aussagekraft. (6 Gründe gegen die Waage)
Lange orientierte man sich an einer Formel, die der französische Arzt Paul Broca vor mehr als 150 Jahren aufgestellt hat. Er rechnete den Faktor Größe mit ein, so dass folgende Faustformel herauskam: Normalgewicht = Körpergröße (in cm) – 100. Für eine 1,70 große Frau wäre also das Normalgewicht bei ca. 70kg. Wer sein Normalgewicht um mehr als 10 Prozent überschreitet, gilt demnach als übergewichtig
Etwas komplizierter, aber dafür etwas aussagekräftiger ist der Body Mass Index (BMI), der heute oft als Richtwert genommen wird. Auch hier werden Körpergewicht und Körpergröße ins Verhältnis gesetzt Körpergewicht in kg / (Größe in m)². Für den errechneten Wert gibt es eine Skala, die von starkem Untergewicht (<16) über den Normalbereich (18,5-25) bis zu starkem Übergewicht (>40) reicht.
Warum BMI und Co nicht funktionieren
Aber auch der so beliebte BMI ist zu vereinfacht und bringt absurde Bewertungen hervor. Beispiel gefällig? Unter vielen Paleo-Anhängern ist auch Crossfit sehr beliebt – das hochintensive Trainingsprogramm sorgt zweifelsfrei für extreme Fitness. Doch ausgerechnet die besten Crossfit-Athleten würden nach BMI-Bewertung als ungesund übergewichtig eingestuft werden.
Warum? Weil der BMI nicht unterscheidet, woraus sich unsere Körpermasse zusammensetzt. Dem BMI ist es egal, ob das Gewicht aus Fett oder Muskeln stammt – für unsere Gesundheit macht das allerdings einen erheblichen Unterschied! So wird ein Sportler mit viel Muskelmasse unter Umständen als ungesünder eingestuft als ein Couch Potato. Aus Einfachheitsgründen setzt ein Maßstab wie der Body Mass Index also voraus, dass wir alle einen ähnlichen Körperbau haben – man muss sich nur einmal auf der Straße umsehen, um zu erkennen, dass das nicht funktionieren kann.
Wenn Messen, dann richtig
Mindestens einen weiteren Faktor sollten wir also mit einfließen lassen, wenn wir ein halbwegs aussagekräftige Messwert für unsere Gesundheit wollen: den Anteil von Muskel- bzw. Fettmasse am gesamten Körpergewicht.
Auch in der englischsprachigen Paleo-Szene wird die „lean muscle mass“, also Muskelmasse kombiniert mit möglichst wenig Fett als ein Indikator für Gesundheit und Langlebigkeit angesehen. Diese Kombination beugt vielen Herz-Kreislauf- und anderen organischen Erkrankungen vor, die oftmals mit einem ungesunden Lebensstil einhergehen.
Doch will man die Fettfreie Körpermasse (FFMI) berechnen, wird es noch einmal komplizierter als beim BMI: für die FFMI-Formel muss man zusätzlich den Körperfettanteil messen – und das gestaltet sich deutlich schwieriger als etwa Größe oder Gewicht. Es gibt dafür verschiedene Methoden. Diese sind aber entweder kompliziert und teuer (Röntgen-Scan beim Orthopäden), oder aber ungenau (Hautfalten mit einer Caliper-Zange messen, Körperfettwaage). Da wird das ganz schnell zum Mess-Stress.
Fazit Mess-Stress? Nur aus guten Gründen!
Lohnt sich dieser ganze Aufwand also überhaupt für den Otto-Normal-Paleolaner? Wir finden: Beim Thema Messen sollten wir uns genau wie bei der Ernährung auf unseren gesunden (Ur-)Menschenverstand verlassen.
Die meisten Zivilisationskrankheiten und körperlichen Probleme, die mit einer ungesunden Lebensweise zu tun haben, entstehen durch eine falsche Ernährung und mangelnde Bewegung – beides Faktoren, die auf einen gesunden und ausgewogenen Paleo-Lifestyle nicht zutreffen.
Mit einer Paleo-Ernährung führen wir unserem Körper ausreichend und ausgewogene Nährstoffe zu, ganz ohne verarbeiteten Zucker – den größten Fettmacher.
Dazu führen wir einen aktiven und bewussten Lebensstil, der für ausreichend Bewegung sorgt und uns beibringt, auf unseren Körper und dessen Bedürfnisse zu achten. Diese Signale zu hören, ist der gesündeste Lebensstil.
Diejenigen, die Paleo nutzen wollen, um überflüssige Pfunde loszuwerden oder als passende Ernährung für den Muskelaufbau, werden es früher oder später an der Kleidergröße und auf Fotos bemerken, wie sich ihr Körperbau dank Paleo-Lifestyle zum Positiven verändert.
Für manche von uns kann es sinnvoll sein, mit Messungen noch einmal genauer „hinzuhören“ – auf Grund von Krankheiten oder weil sie noch ein paar Extraprozentpunkte an Leistung aus sich herausholen wollen und den Aufwand nicht scheuen.
Für andere gilt: Auch bei der Gesundheit kann man sich zu viel (Mess-)Stress machen.
Entscheide selbst, was wir für dich sinnvoll erscheint.
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